Die offene Ladenkasse
Günter Hässel, WP | StB | RB (RAK)
Als offene Ladenkasse bezeichnet man eine Kasse ohne Einzelaufzeichnungen der Einnahmen. Ware wird gegen Bargeld ausgehändigt, Geld wird in eine Geldkassette, Geldschublade oder ähnliches gelegt. Die Tageseinnahme (Tageslosung) wird am Ende des Geschäftstages durch Zählen ermittelt.
Sofern während des Tages Geld aus der Geldkassette entnommen wurde, sind die Beträge bei der Einnahmenermittlung hinzuzurechnen.
Rechtsgrundlagen
Grundsätzlich besteht keine Pflicht, ein elektronisches Aufzeichnungssystem einzusetzen (Teutemacher, Handbuch der Kassenführung, 3. aktualisierte Auflage 2020, NWB-Verlag, S. 94).
Beim Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung besteht aus Zumutbarkeitsgründen keine Pflicht zur Einzelaufzeichnung (§ 146 Abs. 1 Satz 3 AO). Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige kein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet (§ 146 Abs. 1 Satz 4 AO).
Die Einzelaufzeichnung eines jeden Geschäftsvorfalls ist aber nur dann nicht zumutbar, wenn es technisch, betriebswirtschaftlich oder praktisch unmöglich ist, die einzelnen Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen (Teutemacher a.a.O. S. 28 mit Hinweis auf BFH 12.05.1966 IV 472/60 BStBl 1966 III S 371). Das muss der Steuerpflichtige nachweisen. In diesen Fällen ist die Ermittlung der Bareinnahmen eines Tages durch einen Kassenbericht zulässig (Teutemacher a.a.O. S. S. 48). Ein Zählprotokoll ist nicht erforderlich, erleichtert jedoch den Nachweis des täglichen Auszählens (Anwendungserlass AO (AEAO) zu § 146 Nr. 3.3.).
Anwendungsbereiche Verkaufsstände bei Jahrmärkten und ähnliche Geschäfte fallen regelmäßig unter die Ausnahmeregelung. Bei ohne Verkaufspersonal betriebenen Vertrauenskassen (Blumenverkauf am Feldrand), Sonnenbänken und Warenautomaten spricht man von geschlossenen Ladenkassen (Achilles/Pump Lexikon der Kassenführung DATEV 2018, S. 128).
Das Führen einer offenen Ladenkasse ist bei Dienstleistungen zulässig (AEAO zu § 146 Nr. 2.2.6. 9), wenn sie an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung erbracht werden und der Kundenkontakt im Wesentlichen auf die Bestellung und Bezahlung beschränkt ist. Das soll z. B. bei einem Friseur oder Kosmetiker nicht zutreffen (Klein/Rätke Kommentar zur AO, C.H. Beck 2020, § 146 Anm. 39). Im Zweifel kann man einen Antrag auf Erleichterung nach § 148 AO stellen (Teutemacher a.a.O. S. 95). Die offene Ladenkasse muss täglich geführt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO, Teutemacher a.a.O. S. 96).
Außenprüfungen und Kassen-Nachschauen
Nach § 158 AO gilt die gesetzliche Vermutung der sachlichen Richtigkeit der Buchführung. Außenprüfer müssen zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen prüfen (§ 199 Abs. 1 AO). Die Prüfungsfeststellungen fallen deutlich zuungunsten aus (Bundesministerium der Finanzen Monatsbericht 10/2020, S. 34: Prüfungs-Mehrergebnisse in 2019 15,2 Mrd. Euro).
Prüfungsschwerpunkte sind insbesondere:
(siehe auch Teutemacher a.a.O. S. 74)
• Liegt eine Verfahrensdokumentation einschließlich mitgeltender Unterlagen vor?
• Auswertung von Kontrollmitteilungen
• Suche nach Kassenfehlbeträgen
• Widerlegung der geschäftstäglichen Kassensturzfähigkeit (Hässel, Pflicht zum täglichen Kassenabschluss, in LSWB Magazin 2/2021 Landesverband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern e.V.)
• Suche nach formellen und tatsächlichen Fehlern
• Suche nach Buchungen ohne Beleg (wenn kein Fremdbeleg vorliegt, muss ein Eigenbeleg erstellt werden)
• Suche nach fehlender Übereinstimmung von Belegdatum und Buchungsdatum
• Prüfung der Plausibilität und der Nachweise von Privateinlagen
• Eintragung der Tageseinnahmen in runden Beträgen ohne Cents (unglaubwürdig: immer auf volle 1, 5 oder 10 Euro gerundet)
• Radierungen, unleserlich gemachte Eintragungen, Verwendung von Tabellenkalkulationsprogrammen, da Veränderungen nicht nachvollzogen werden können
• fehlende oder späte Festschreibung
Die Beratung der Mandanten
• Mandanten sensibilisieren, weil die Fehlervermeidung ein sehr wichtiger Schutz gegen Steuernachzahlungen ist.
Merksatz: Prüfer suchen nach (auch kleinen) Fehlern mit der Folgerung, die Kassensturzfähigkeit sei im Prüfungszeitraum nicht jederzeit gegeben. Daher sei die Buchführung zu verwerfen und es seien Zuschätzungen vorzunehmen.
• Verfahrensdokumentation vorlegen. Das fordert die Literatur, soweit ersichtlich, einhellig (Teutemacher a.a.O. Seite 10 geht von einer Anforderung der Verfahrensdokumentation beim Versand der Prüfungsanordnung aus. Anderer Ansicht in DStR 2019, S. 258 mit Anmerkung von Hruschka). Die Erstellung der Verfahrensdokumentation führt dazu, dass Steuerpflichtige mit Unterstützung ihrer Steuerberater ihr Rechnungswesen „betriebsprüfungssicherer“ machen. Die Vorlage der Verfahrensdokumentation nimmt dem Prüfer viele Möglichkeiten aus GoBD Rz. 155 („Soweit eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtigt, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann.“)
• Kassenbericht dient der Ermittlung der Einnahmen. Wenn eine Loseblattsammlung aneinander gereihter Kassenberichte (Teutemacher a.a.O. S. 86) vorliegt, sollten geeignete Nachweise geschaffen werden gegen den Verdacht nachträglicher Änderungen.
• Kassenbuch. Bei Vorliegen mehrerer Kassen oder wenn im Kassenbericht nicht alle Kassenbewegungen (Ausgaben) erfasst werden, muss neben dem (oder den) Kassenbericht(en) ein Kassenbuch geführt werden. Dieses dient auch zur Erfassung der in eine Sammelkasse aus den (Neben)Kassen (Teutemacher a.a.O. S. 86) zu übernehmenden Geldbeträge. Eigenbelege dienen zum Nachweis!
• Festschreibung. Die Übernahme der Tageslosung in ein revisionssicheres elektronisches Kassenbuch mit täglicher Festschreibung erleichtert den Nachweis der formellen und tatsächlichen Richtigkeit der Kassenführung.
• Die Vorlage eines Zählprotokolls erleichtert den Nachweis des täglichen Auszählens (Anwendungserlass AO (AEAO) zu § 146 Nr. 3.3.). Vor allem aber dient das Zählprotokoll als (oft einziger) Beleg, dass die Kasse täglich geführt wurde.
• Belegdatum. Bei der Eintragung in das Kassenbuch oder den Kassenbericht an einem Tag, der vom Belegdatum abweicht, kann die Richtigkeit der Bestandsermittlung angezweifelt und die Kasse verworfen werden. Gründe, z. B. Verauslagungen mit späteren Erstattungen sind auf dem Beleg oder im Kassenbuch zu erläutern.
• Privateinlagen. Der Verdacht, dass Betriebseinnahmen nicht oder nicht vollständig erfasst wurden, muss durch Eigenbelege und Nachweise widerlegt werden.
• Kassenbewegungen vermeiden. Jede Kassenbewegung beinhaltet ein Fehlerrisiko mit der Folge von Zuschätzungen. Lösung: Möglichst viel über Banken erledigen.
• Eigenbelege. Wenn kein Fremdbeleg vorhanden ist, muss ein Eigenbeleg erstellt werden.
• Beweisvorsorge. Bei besonderen Ereignissen – Geschäftsbehinderung durch Witterung, Baumaßnahmen, Stromausfall oder Einflüsse im persönlichen Bereich – können Abweichungen von den üblichen oder durchschnittlichen Umsätzen vorliegen. Eigenbelege, Fotos und Kalendereinträge dienen nach Jahren als Nachweise, insbesondere wenn man sich an die Ereignisse nicht mehr erinnern kann.
Die Zukunft der offenen Ladenkasse
Für Vertrauenskassen (zum Beispiel Blumenverkauf am Feldrand ) , Warenautomaten und Geldeinwurfgeräte gibt es derzeit wohl keine Alternativen.
Im Hinblick auf das Risiko existenzgefährdender Steuernachzahlungen und das damit verbundene mögliche Haftungsrisiko für Steuerberater (Teutemacher a.a.O. S. 4 mit Nachweisen zur Rechtsprechung) empfiehlt sich im Übrigen die Überlegung, zu einem elektronischen Aufzeichnungssystem zu wechseln.
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